Ukrainische Künstler erzählen vom Krieg
Dass aktuell besonders junge Menschen aus der Ukraine zu Instagram & Co.- greifen, um der Welt die fürchterlichen Kriegsgeschehnisse zu zeigen, ist nicht verwunderlich. Besonders Instagram hat sich dabei als Plattform herauskristallisiert, die ukrainische Künstler und Künstlerinnen nutzen, um ihren ganz persönlichen Einblick in die Grausamkeit und Brutalität eines Krieges zu geben, der im 21. Jahrhundert kaum noch vorstellbar hätte sein dürfen ... und doch fast vor unserer Haustür stattfindet.
Im Folgenden möchten wir einen Einblick in jene kunst- und kulturschaffenden Eindrücke einiger junger moderner ukrainischer Betroffener geben. Fünf Künstler wollen wir vorstellen. Mit ihren Werken der Zeit, die verstören, mitführen lassen, Traurigkeit zeigen und auch Hoffnung säen.
Eine Stimme braucht das Volk: Natasha Chychasova
Sie ist die treibende Kraft für all jene, die eine Stimme haben und sich für uns zeigen wollen. Die junge Kuratorin aus Donezk, die seit ihrer Vertreibung aus Kiew in einem kleinen Örtchen in der Nähe von Lwiw lebt, versucht mit Partner und Hund zur Ruhe zu kommen und kennt die Schrecken des Krieges. Sie will ihre Heimat, so wie Viele, nicht verlassen. Doch sie weiß auch, wie wichtig es ist, der Welt da Draußen zu zeigen, mitzuteilen und sie mitfühlen zu lassen, was Krieg, Gewalt, Vertreibung bedeutet. Deswegen hat sie in einem Open Call all jene ukrainischen Künstler und Künstlerinnen aufgerufen, die sich angesprochen fühlen, ihre Werke des Krieges der Welt zu zeigen. Sie ist das Bindeglied, für all jene, die Kunst zu ihrer Stimme machen, um das zu verarbeiten, was der Krieg in der Ukraine mit ihnen, den Menschen und ihrem Leben gemacht hat.
Statt Kunst-Ausstellung Kriegsdokumentation: Volo Bevza
Volvo Bevza ist jung, dynamisch und ein Grenzgänger zwischen seiner Geburtsstadt Kyjiw, in der Ukraine und seiner Heimatstadt Berlin. Er weiß zu schätzen, was er in Deutschland an der Kunsthochschule erfahren durfte, doch seine Wurzeln in die Ukraine hat er nie verloren. Deswegen ist es ihm auch so wichtig, seine Kunst, seine Malereien in der ukrainischen Heimat auszustellen. Das hatte er sich für den 24. Februar vorgenommen. Dem Tag, als auch der Krieg ausbrach. Seine Soloausstellung der WT Foundation Kiew war lange Zeit geplant. Dass das Opening vom Kriegsbeginn überschattet wurde, konnte keiner ahnen. Seitdem ist der junge Maler in der Ukraine bei seinen Freunden und seiner Familie. Er kämpft. Nein. Er schützt. Er hilft. Er dokumentiert. Für seine Heimat. Statt den Pinsel zu schwingen, schweißt er Panzerabwehr-Igel. Ausreisen darf er aktuell gerade auch nicht. Hofft, dass er nicht eingezogen wird. Seine Schweißarbeiten für den Schutz der Heimat wurden von der befreundeten Fotografin und Künstlerin Victoria Pidust festgehalten. Wäre es nicht so traurig, was diese geschweißten Igel für eine Aufgabe übernehmen sollen, könnte man auch hier von Kunst sprechen. Einer Kunst mit einem tief bitteren und blutigen Nachgeschmack. Seine Arbeit, die Fotos - das alles macht das Herz schwer. Er dokumentiert sein Leben in Kyjiw nun via Instagram und fordert zu Spenden auf. Spenden, um das ukrainische Territorium zu verteidigen. Traurig ist es. Diese Facette seiner Kunst. Gewollt sicherlich nicht. Doch er holt uns zu sich und das möge ihm Kraft geben. Kraft durchzuhalten und weiter zu machen.
Diana Berg. Eine Frau mit Charakter, Mut und Leidenschaft
Geboren wurde sie 1979 in Donezk. Schon früh erkannte sie ihre Stärke Meinung, Gedankengut und Werte mit Kunst und Kultur zum Ausdruck zu bringen. 2014 musste sie fliehen. Vor pro-russischen Separatisten. Das gab den letzten Anstoß. In Mariupol hat sie sich schließlich niedergelassen. Mit einer neuen Idee, einem neuen Traum und verdammt viel Tatendrang. Sie eröffnete Kulturplattform und -zentrum "Tju". Der Erfolg und die jungen Künstler in und um Mariupol ließen nicht lange auf sich warten. Dann kam der Krieg und Diana konnte und wollte nicht das zurücklassen, was sie über Jahre aufgebaut hatte. Sie entschied sich zu bleiben. Um ihr Zentrum und für das was es steht zu verteidigen. Hut ab für den Mut dieser Frau. Nutzte alle ihr zur Verfügung stehenden Medien. Veröffentlichte Beiträge in Tageszeitungen über das aktuelle Geschehen in Mariupol. Zeigte beklemmende Fotos über die Zerstörung und den Wahnsinn eines Krieges, der nicht sein muss. Jeden Tag wurden ihre Bilder und Beiträge bedrückender. Dann, knapp zwei Wochen nach Kriegsbeginn, war es auch für sie nicht mehr trag- und haltbar in Mariupol zu bleiben. Auch für sie ging es um ihr Leben. Zwei russische Militärlinien musste sie auf ihrem Weg in die Freiheit durchdringen. Riesenglück. Das waren ihre Worte ... und sie hinterließ ein Zeichen. Eine Puppe der Künstlerin Lia Dostlieva. Eine Puppe, die aussieht als habe sie gebrannt und wurde verschmort.
Alisa Gots: fotografische Momentaufnahmen, die unter die Haut gehen
Bevor der Krieg ausbrach, da war sie eine der wenigen unabhängigen Künstler im Land und der Hauptstadt. Hier hatte sie sich mit ihren Freunden und Künstlerkollegen zusammengeschlossen und ein Atelier und eine Lithografiewerkstatt eröffnet. Seitdem der Krieg tobt, ist ihr Atelier geschlossen. Jetzt arbeitet sie mit Laptop, Kamera und Instagram. Ihre Bilder sind intensiv. Ihre Bilder sind verstörend. Sie hält die Grausamkeiten der zerstörerischen Kraft von Waffen, Panzern und Unberechenbarkeit fest. Sie ist zur fotografischen Stimme jener geworden, denen der Krieg die Stimme zum Sprechen genommen hat. Sie bleibt in Kiew. Ihre Familie und ihre Mutter haben Schutz und Zuflucht in Polen gefunden. Das beruhigt ihr Herz. Zerreißt es auf die gleiche Weise. Doch der Schmerz darüber, was in ihrer Heimat passiert, geht noch tiefer.
Kunst kann verbinden ... wenn die Politik es zulässt: Nikita Kadan und sein gescheiterter Versuch
Wäre kein Krieg, dann wäre der Künstler aus Kiew in einer der Kunsthallen des Krems, mit dem russischen Futuristen Welimir Chlebnikow gemeinsam beschäftigt. Unter dem Motto "Artist-in-Residence" hätte man die Werke bestaunen und sich kritisch, offen und ehrlich darüber austauschen können. Aktuell sitzt der ukrainische Künstler in einem zum Schutzbunker umfunktionierten Künstleratelier. Auch er hat die Möglichkeit weiter zu wirken; über öffentliche Medien und dem Kunstkanal der Warschauer Kunstgalerie Zacheta. Hier veröffentlich er demnächst seine Werke. Von früher und von heute. Ein Vergleich. Eine Gegenüberstellung. Ein, sein Leben in Kiew.